Markus A. Langer

Editor

Media Manager

Environmental Scientist

Geographer

Der Nikolo kommt …

Der Nikolo kommt …

Markus A. Langer

Vielleicht können Sie sich noch an zwei adventliche Geschichten der vergangenen Jahre erinnern. Maxi sitzt als Kind in der Küche seiner Oma und genießt die Düfte der Vorweihnachtszeit. Oder wie er in der Jugend die Rolle seines Lebens in einem weihnachtlichen Theaterstück spielt. Eine letzte Geschichte muss noch erzählt werden.

Für Maxi beginnt ein ganz neues Leben, als Schüler eines Gymnasiums, das nur Buben besuchen. Für ihn eine gewaltige Umstellung. Zum Glück ist er nicht allein. Ein Freund aus Volksschultagen sitzt auch jetzt neben ihm in der Schulbank. Beim zweiten Anlauf ist es nun Maxi gelungen, in den Schulchor aufgenommen zu werden. Warum es zunächst nicht geklappt hat, weiß er nicht. Ihm wird nur gesagt: „Du musst es verstehen.“ Ein Satz, den Max(i) später immer wieder hören wird und der ihn das ganze Leben begleiten soll. Das ist ihm in diesem Moment noch nicht bewusst – wie auch. Seine Sopranstimme fehlt damit bei einer Festveranstaltung, die als Live-Radiosendung im Oktober des ersten Schuljahres ins ganze Land ausgestrahlt wird. Der Erstklassler sitzt als Zuhörer im Publikum, als der berühmte Burgschauspieler aus dessen Schulzeit in diesen „heiligen Hallen“ erzählt. Also kommt Maxis „großer“ Auftritt erst im Dezember.

Es gehört schon damals zu einer alten Tradition, den Bewohnerinnen und Bewohnern des Pflegeheims in der benachbarten Stadt zweimal im Advent mit Liedern eine kleine
Freude zu bereiten. Zunächst am Nikolo-Tag und dann kurz vor Weihnachten. Bei der Weihnachtsfeier stehen Lieder wie „Aba heidschi bumbeidschi“, „Es wird scho glei dumpa“ oder der Sterzinger Andachtsjodler mit seinem sich wiederholenden „Tjo, tjo iri“ auf dem Programm. Aber besonders gefällt Maxi das Lied „Weihnachtsstern“. Seine Melodie stammt aus dem 2. Satz der 9. Symphonie „Aus der Neuen Welt“ von Antonín Dvořák. Dieses symphonische Werk kennt Maxi zu dieser Zeit noch nicht. Viele Jahre danach wird er es zu seiner Lieblingsmusik zählen, die er immer wieder gerne hört.

Aber kommen wir zurück zu Maxis erstem Auftritt mit dem Schulchor. Einer der Oberstufenschüler verwandelt sich am Nachmittag des 6. Dezember in den heiligen Nikolaus – zunächst wird ihm eine weiße Albe übergezogen und darüber die goldenfarbene Kasel. Am Kopf trägt der Auserwählte eine ebenfalls in Gold gehaltene Mitra und in der linken Hand den Bischofsstab. Sein Gesicht bedeckt ein weißer Rauschebart. Die Menschen im Pflegeheim, viele bettlägerig, haben Tränen in den Augen. „Der Nikolo kommt“, ist aus den Zimmern von aufgeregten Stimmen zu hören. Der heilige Mann hat sie nicht vergessen und bringt ihnen ein Geschenk – ein Sackerl aus rotem Krepppapier, mit Erdnüssen, Schokolade und Mandarinen gefüllt. Bischof Nikolaus geht von Zimmer zu Zimmer. Voller Dankbarkeit küssen die Kranken und Alten seine Hände.

Für die jungen Sänger, die am Gang stehen, bedeutet das Singen Schwerstarbeit. Die Luft im Gebäude ist heiß und trocken. Unangenehme Gerüche machen sich breit. Ein Wunder, dass keiner der Buben umfällt. Es geht treppauf, treppab. Eine Station folgt der anderen. Und nochmals von vorne das ganze Repertoire der Nikolo-Lieder. Maxi spürt langsam ein Kratzen im Hals und seine Kehle fühlt sich schon ganz trocken an. „Durchhalten – irgendwann muss doch das Ende erreicht sein“, denkt er sich insgeheim. Falsch gedacht – eine Station gibt es noch. Als Belohnung gibt es schlussendlich für jeden jungen Sänger ein Paar Würstel und eine Limonade. Das hat sich auch der heilige Nikolaus verdient, der unermüdlich seine Gaben verteilt hat und von unzähligen Händen umarmt worden ist. Müde und doch zufrieden fühlen sich die Buben nun. Es ist schon dunkel geworden, mit dem Bus geht es zurück zur Schule. Noch schnell die Schultasche abholen und dann nachhause. Damit ist der Tag für Maxi aber noch nicht zu Ende. Die Hausübungen müssen noch gemacht werden. Aber es gibt einen Trostpreis. Zuhause wartet auf Maxi ein Nikolo- Geschenk: eine Schallplatte mit Franz Schuberts „Unvollendeter“ Symphonie.

Heute, 40 Jahre später, legt Max die Platte ab und zu auf – er hat nun wieder einen Plattenspieler – und dirigiert beim Lauschen der Musik heimlich mit.